Skandale und die BILD-Zeitung sind ja bekanntlich wie Pech und Schwefel. Zumindest solange es um andere geht. Jetzt allerdings sieht sich die BILD mit einem Skandal aus den eigenen Reihen konfrontiert. Ein Team von Journalist:innen von Ippen Investigativ brachte in Recherchen so einiges über den nunmehr ehemaligen Chefredakteur Julian Reichelt zutage. Über Machtmissbräuche und Fehlverhalten seinerseits gab es in der Vergangenheit bereits immer mal wieder Andeutungen. Das Netz reagiert mit einer Mischung aus Entsetzen, Empörung und Sarkasmus.
Zufall oder Chiffre?
Kaum haben die ersten Verhandlungen einer #Ampelkoalition begonnen, schon verliert der #Bild Chef #Reichelt seinen Job, so schnell geht das mit dem Kommunismus. /s
— Volksverpetzer (@Volksverpetzer) October 18, 2021
Was sagt die BILD selbst dazu?
Julian #Reichelt wurde gefeuert. Oder wie die #BILD sagen würde:
+++Weil er zu geil war: Sex-Monster rausgeschmissen! +++
+++ Hielt sich an keine Regeln: So skrupellos war Rubbel-Reichelt +++
+++ SEX IM BÜRO – #Springer fickt Julian R. +++*Exklusiver Blick in sein Sextagebuch*
— Browser Ballett (@browserballett) October 18, 2021
Ach nee! Tatsächlich sieht das Statement so aus:
KlaRTeXt @Bild pic.twitter.com/PbzLOCQ6qT
— Stefan Niggemeier (@niggi) October 18, 2021
Und auch von BILD-Mitarbeitern und anderen Leuten aus seinem Umfeld kommt keine Kritik an Reichelt.
Tut mir leid, aber dass sich BILD-Mitarbeiter jetzt darüber beschweren, wenn über angeblich Privates (Disclaimer: ist es nicht) aus dem eigenen Laden berichtet wird, ist schon eine ganz besondere Pointe. #Reichelt
— Julius Betschka (@JuliusBetschka) October 18, 2021
Eher im Gegenteil. Ulf Poschardt von der WELT stellt auf Twitter diese philosophische Frage.
wie muss man sich eine moral vorstellen, in der erwartet wird, dass man einen freund fallen lässt, wenn er am boden ist?
— Ulf Poschardt (@ulfposh) October 19, 2021
Bekommt aber prompt einige berechtigte Gegenfragen.
Wie muss man sich eine Moral vorstellen in der Machtmissbrauch mit Schulterzucken abgetan wird?
— Reptolord (R.H.) (@Reptolord) October 19, 2021
wie muss man sich eine moral vorstellen mit der man mit reichelt befreundet sein kann
— corli soprano (@baudrillardbae) October 19, 2021
Wie muss sich eine Moral vorstellen, in der sich ein Chefredakteur, weiter hinter einem anderen ehemaligen Chefredakteur steht, der mehrfach seine Macht missbraucht und sogar eine Scheidungsurkunde gefälscht hat, um eine junge Mitarbeiterin ins Bett zu bekommen?
— Krsto Lazarević (@Krstorevic) October 19, 2021
Auch an sarkastischen Sympathiebekundungen fehlt es selbstverständlich nicht.
Wer noch nie am Rechner eine Scheidungsurkunde gefälscht, sie laminiert und auf jede Party mitgenommen hat, um Frauen abzuschleppen, werfe den ersten Stein.#reichelt
— 🍁 Jasmin Herbst-Ultra Schreiber 🍄 (@LaVieVagabonde) October 18, 2021
Sagen Sie, sind das eingerollte Scheidungspapiere da in ihrer Hose, oder freuen sich einfach nur, mich zu sehen?
— Micky Beisenherz (@MickyBeisenherz) October 18, 2021
Was sagen die anderen so?
Frauen sexuell belästigen, sie nach 'Fuckability' sortieren, erpressen, lügen, manipulieren: #Bild-Männern fällt dazu nur ein Statement ein: pic.twitter.com/kTawxuGufN
— Mario Sixtus 🇭🇰馬六 (@sixtus) October 18, 2021
Hört sich vor allem stark nach Mimimi an.
Man glaubt ja kaum wie mimosenhaft und weinerlich Axel-Springer-Redakteure sein können. Menschen, die sonst Witwen schütteln und Waisenkinder demütigen, die ihr Geld mit rassistische Hetze und sexistischem Müll verdienen, beschweren sich nun über „Häme“ und „Schadenfreude“. Wow.
— Stephan Anpalagan (@stephanpalagan) October 18, 2021
Zumal der Fokus vielleicht auch woanders liegen sollte?
Ich fände es auch gut, wenn nicht nur über #Reichelt gesprochen werden würde, sondern mehr darüber, was Frauen in ihrem Berufsalltag erleben und wie man gegen Sexismus und Übergriffe vorgehen kann. Das passiert nämlich nicht nur bei der BILD.
— Pia Lamberty (@pia_lamberty) October 19, 2021
Ist wohl zu viel verlangt…
Auf Springer-Kanälen bedanken sich die Journalist*innen bei Julian Reichelt und sie beklagen die Schadenfreude. Keiner entschuldigt sich bei den betroffenen Frauen für das feige Wegschauen und die Komplizenschaft. Es wird sich nichts ändern.
— Peter Breuer (@peterbreuer) October 18, 2021
Dann also doch lieber Komplimente!
Das einzige was wir Männer schlechter können als einem anderen Mann ein Kompliment zu machen, ist einem anderen Mann zu sagen, dass er seine Macht systematisch missbraucht.
— Aurel (@aurelmertz) October 19, 2021
Von Reichelt selbst hat man noch nix dazu gehört. Wie er seinen neuen Titel wohl findet?
DEUTSCHLANDS FRECHSTER ARBEITSLOSER (41) pic.twitter.com/VhXEsCflSh
— Jessica Ramczik (@BeigeBionda) October 18, 2021
Das muss man allerdings auch erstmal schaffen.
Man muss es wohl so sagen: Julian Reichelt hat sich nach unten geschlafen.
— Ralf Heimann (@ralfheimann) October 18, 2021
Neben Reichelts zahlreichen Vergehen, wird auch viel darüber diskutiert, dass die Recherche der Ippen Investigativ-Journalist:innen wohl von Herrn Ippen persönlich vor der Veröffentlichung gestoppt wurde…
Das letzte was deine Investigativ-Geschichte sieht bevor sie gekillt wird pic.twitter.com/hHWA50rc2G
— Quentin Lichtblau (@LichtblauQ) October 17, 2021
Handyalarm ist keine Einbahnstraße! pic.twitter.com/ZOQK8SUBxt
— Profiler Jan Böhmermann 🦠🤨 (@janboehm) October 17, 2021
Was die natürlich nicht so toll fanden.
Das ist der Protestbrief an Verleger Ippen & Geschäftsführung, den das investigativ Team (ehemals BuzzFeedNews.Deutschland) am Freitag verschickt hat. 🔥 Reaktion auf Eingriff in redaktionelle Unabhängigkeit. Von @danieldrepper @laloeffelstiel @katrin_langhans @ENGERT #Reichelt pic.twitter.com/qV04tXHURF
— Jonathan Sachse (@jsachse) October 17, 2021
Letztendlich erschienen die Ergebnisse der Recherchen ja doch noch. Allerdings in der New York Times.
Was sagt es eigentlich über die europäische Medienöffentlichkeit aus (und den deutschen Medienjournalismus ohnehin), dass die beste Chance, eine bereits verhinderte Geschichte doch noch live zu kriegen, darin besteht, sie der New York Times zu geben?
— Wolfgang Blau (@wblau) October 18, 2021
So this is the powerful Axel Springer CEO, wo owns @BILD etc, calling Germany a ‚GDR‘ state claiming almost all other journalists are propagandists of that state. Deeply deeply worrying. And it needs the @nyt to uncover this. https://t.co/KVGrkSf3Jp
— Annette Dittert (@annettedittert) October 19, 2021
Und später auch im SPIEGEL.
DER SPIEGEL hat vor 5 Minuten die Recherchen der gecancelten "Ippen Investigativ"-Redaktion veröffentlicht. 🙏 #journalism https://t.co/URivHwLICU
— Profiler Jan Böhmermann 🦠🤨 (@janboehm) October 18, 2021
Nun ja.
Die gute Nachricht:
Julian Reichelt ist nicht mehr BILD-ChefredakteurDie schlechte Nachricht:
ER LÄUFT JETZT DRAUSSEN IRGENDWO FREI RUM— Nicht Chevy Chase (@DrWaumiau) October 19, 2021
Es bleibt spannend.
Die BILD wird nach dieser Personalentscheidung ein ganz neues Blatt. Die neue Chefredakteurin, eine progressive Einwandererin aus Nigeria mit doppeltem Studienabschluss in Kunstgeschichte und Geologie, wird Schwerpunkt legen auf Longreads zu sozialen Themen und Opernkritik.
— Saša Stanišić (@sasa_s) October 18, 2021
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