Im Jahre 2016 war es der Sixt-Kunde, welcher von seiner unglaublichen Heimreise zur Geburt Jesu die Social Media Gemeinde beglückte. Im Jahre darauf erzählte Twitter-User Christopher Macheath von den Strapazen mit der Familie im Auto zum Fest der Liebe.
2018 soll uns nun vielleicht dieser Bahnkunde daran erinnern, warum die Stimmung im Auto während der Feiertage doch besser sein kann, …
1. …als in gewissen öffentlichen Verkehrsmitteln…
2. Twitter-User und Schauspieler Marcel Lindenau beschreibt das Gefühl einer Bahnfahrt um Weihnachten gekonnt bildlich.
Es macht sicherlich Sinn, auf dieser wichtigen, viel genutzten Hauptroute Hamburg-Bremen-Münster-Düsseldorf einen IC (keinen ICE), der von 3 Pferden und nem Hamster gezogen wird, einzusetzen. Ich sitze auf einer Holzpalette und habe ein Huhn auf dem Schoß. Es wirkt gestresst.
— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) December 24, 2018
3. Jeder kennt es: Viele Emotionen, purer Stress.
Zwei Wagen fehlen. Umgekehrte Wagenreihung. 25 min Verspätung. Unterhaltung zweier Zugbegleiter:
„Die Kollegen haben vergessen (nicht verständlich), deswegen müssen wir langsamer fahren. Mal schauen wie es weitergeht. Sie wirken sehr gestresst.— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) December 24, 2018
Business-Frau mit teurem Koffer stratzt durchs Abteil, räumt alles ab, was ihr in den Weg kommt und sagt sehr laut und aggressiv: „WAS FÜR EIN SCHEISSVEREIN HIER!“
Ob sie den HSV meint, oder die deutsche Bahn, weiß ich nicht. Sie wirkt extremst gestresst.— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) December 24, 2018
4. Aber Marcel twitter sich richtig in Fahrt. Ist er der neue deutsche William Shakespeare?
Der Feuerkessel wurde gezündet und die Heizung gibt alles. Es gibt offensichtlich nur die Stufen „Nordpol“ und „Feuersbrunst direkt aus dem Arsch der Hölle.“
Ich habe nur noch ein Handtuch locker um die Hüfte und mache den ersten Aufguss. Ein korpulenter Mann nickt mir zu.— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) December 24, 2018
Wir passieren das Städtchen Sprötze. Die Pferde geben alles & wir erreichen gleich die magischen 100 km/h. Nie zuvor ist der Mensch so schnell gereist. Viele weinen vor Freude. Alexander Gerst gratuliert & hält eine Rede. Er ist tief beeindruckt: „Das ich DAS noch erleben darf.“
— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) December 24, 2018
Der korpulente Mann, der mir zunickte, bin ich selber gewesen. Durch die Mischung aus Hitze und Geschwindigkeit (101 km/h) habe ich meine menschliche Hülle verlassen, schaue mich selbst an und frage: „wo siehst du dich in 5 Jahren?“
„Noch immer in diesem Zug.“, denke ich leise.— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) December 24, 2018
„WER HAT DAS GESAGT?!“ rufe ich laut & schrecke auf. Habe ich geträumt? Bin ich verrückt geworden? Ich zweifle.
„Sind wir nicht alle etwas verrückt?“ antwortet eine ältere Dame. Während sie sich hysterisch lachend in einen Raben verwandelt und davon fliegt. Ich brauche Urlaub.— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) December 24, 2018
5. Und ob die Bahn für derartige Entgleisungen des Verstandes ihrer Passagiere wegen zu langer Gefangennahme im Transporter auch entschädigt?
Plötzlich, wie aus dem nichts, ein kleines Dorf. Es scheint keinerlei Zivilisation zu geben, die Menschen sind einfaches Volk, essen rohes Fleisch und sind verwundert über das Stahlungetüm vor ihren Augen. Eine Frau grunzt. Ein Mann kaut auf einem Fischkopf. Der Zug hält. Bremen.
— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) December 24, 2018
Eins der drei Pferde, die den Zug ziehen, lahmt. Es wird auf der Stelle erschossen. 45 min später gibt es spontan Hackbraten im Bordbistro. „Witzig, was ein Zufall.“, denke ich. Schmackofatz!
— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) December 24, 2018
„Wie haben aktuell 25 min Verspätung, das ist aber noch nicht alles, es wird noch mehr werden. Wir haben einen Defekt an einem Wagen & dürfen nicht schneller fahren. *lange, emotionale Pause* Es geht einfach nicht.“
In diesen Worten liegt der Weltschmerz der gesamten Menschheit.
— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) December 24, 2018
6. Immerhin bedeutet das auch einen längeren Sauna-Aufenthalt.
„Es geht einfach nicht.“ Die Stimmlage der Zugbegleiterin war eine Mischung aus „Papa kommt nicht mehr wieder.“ und „Wir können nichts mehr für Ihren Hund tun.“
Betroffenes Schweigen im Wagon. Stille kann manchmal lauter sein als jeder Schrei. Ich akzeptiere mein Schicksal.— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) December 24, 2018
7. Die Dramatik steigt ins Unermessliche.
Osnabrück. Jemand spielt ein WhatsApp Video ab, auf dem Mäuse mit verstellter Stimme ein Lied singen. Daraufhin erwürgt sich das zweite Pferd umständlich selbst. Ein quälend langer, hässlicher Tod. Aber immer noch besser mitanzusehen, als noch ein Mäusevideo. Oder Osnabrück.
— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) December 24, 2018
Begrüssungs-Durchsage: „Tja, was fehlt uns alles? Wagen 14 & 6 fehlen & wir haben einen Defekt. Ich kann ihn leider nicht reparieren. Die Zugbegleiterinnen kämpfen sich einmal durch den Zug & helfen Ihnen. Wir sind wenig und sie viele, aber wir schaffen das.“
Gänsehaut.
— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) December 24, 2018
11:19 Uhr. Typ gegenüber von mir zimmert sich eiskalt, ohne mit der Wimper zu zucken, nen halben Liter Weizen in den Korpus. Jetzt hab ich auch Bock! Es gibt aber nur Bitburger. Versuche mich daraufhin umständlich selbst zu erwürgen. Klappt nicht. Ich hasse mich.
— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) December 24, 2018
8. „Zu Hause ist es immer noch am schönsten“, haben sie gesagt.
Münster! Mehr Fahrräder als Menschen. Selbst der Bürgermeister ist ein Holland-Rad. Am Bahnsteig stehen Lisa, Merle, Tom. Schwer verkatert von gestern, auf dem Heimweg zu den Eltern. Ihre Sachen in den großen Trekkingrucksack (für Australien Reise nachm Abi gekauft) gestopft.
— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) December 24, 2018
Bösensell. Appelhülsen. Nottuln. Dülmen. Mit der Regionalbahn die Metropolen des Münsterlandes erkundschaften. Fahrt ihr ma ruhig alle nach Thailand (günstig!), Australien (X-Mas am Strand!), Island (Landschaft!) und macht euer Ding. Ich mache hier meins. Ciao mit V, ihr Trottel!
— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) December 24, 2018
Schweinepest. Christoph Metzelder. Germans Wings Absturz. Willkommen in meiner Heimat, Haltern am See.
(Nicht das mit dem Festival, das ist HALDERN.)
Zuhause ist, wenn Vatter dich rauchend vom Bahnhof abholt.— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) December 24, 2018
9. Diese Geschichte ist wirklich so passiert. Das weiß jeder Deutsche auch ohne Quellenverweis, aber danke, dass hier keine Mühen gescheut wurde.
Begeisterung. Ekstase. Meine Tante saß in dem Zug & ich holte sie vorhin in MS ab. Könnte sie so gut schreiben, sie hätte ähnliches zu Papier gebracht. Stattdessen hat sie es frei von der Leber erzählt. Als ich ihr soeben diesen Thread vorlas hatte sie Tränen in den Augen.
— Jan (@taigagruen) December 24, 2018
Und damit mir hier nicht der #Relotius nachgesagt wird: Hier der Beweis, dass alles wahr ist:https://t.co/nTkjtmT53q
— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) December 24, 2018
Klar ist das alles wahr. Wer mit dem Zug nach Münster reist, hat überraschend oft das Pech, sich in rollendem Vorkriegsmaterial wiederzufinden.
Der Grund dafür: wir Münsterländer sind extrem leidensfähig – und die Bahn nutzt das schamlos aus…..— Norwich Rüße (@norwichruesse) December 25, 2018
10. Und danke für das umwerfende Stück Literatur. Mit solchen Worten gibt es doch noch Frieden im Chaos. 😉
Das hat mein Herz berührt. ❤️ pic.twitter.com/1kF90k258C
— TopFrittée-Noël (@Topfritte) December 25, 2018
Hab herzlich gelacht, schöne Festtage noch 🎄
— Suse O. (@suseopunkt) December 25, 2018
Da kann ich einfach nur sagen: DANKE für die grandiose Story! Zukünftig werde ich bei allen Reisen mit der @DB_Bahn daran denken. Dann ist es bestimmt gar nicht mehr so schlimm
— Horst Schimanski (@LhrAlex) December 25, 2018
Wunderbar, einfach wunderbar erzählt.
— Ilse Kittel (@KittelIlse) December 25, 2018
Vielleicht sollten wir doch alle auf Raumschiffe umsteigen.
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